Brauche ich die?
Nicht jeder braucht sie. Aber Menschen mit Histaminintoleranz brauchen sie, wenn es ihnen gut gehen soll. Zum Beispiel die von Histaminintoleranz betroffenen 8 Personen in unserer Familie (in 4 Generationen). Vielleicht aber auch mal einer deiner Gäste?
Mittlerweile habe ich die Rubrik „Alle Rezepte“ auf Histaminarmut hin geprüft und sie wenn möglich so angepasst, dass sie auch histaminärmer zubereitet werden können. Das ist nicht immer so einfach möglich und gelingt auch nicht für jedes Rezept. Außerdem kann das Ausmaß der Verträglichkeit – genau wie die Symptomvielfalt – bei jedem Menschen anders sein.
Alles nicht so einfach!
Bei der Beurteilung des Histamingehaltes von Lebensmitteln richte ich mich überwiegend nach den Angaben von www.histaminintoleranz.ch.
Wichtig zu wissen ist, dass die Verträglichkeit der verschiedenen Lebensmittel, auch deren Zusatzstoffe, individuell sehr unterschiedlich sein kann. Manche vertragen kleinere Mengen eines grundsätzlich kritischen Lebensmittels, wie z.B. wenig Parmesan, Senf oder Tomate. Die individuell unterschiedliche Verträglichkeit hat auch mit den sehr verschiedenen Wegen der Histaminentstehung zu tun:
– Histaminfreisetzung im Körper durch sogen. Histaminliberatoren: wie Tomate, Spinat, Schokolade, Rotwein u.v.a. (dies sind die Lebensmittel, die allgemein auch zuerst genannt werden und in der Tat schnell spürbare Symptome auslösen).
– Histaminanreicherung schon im Lebensmittel: durch Fermentierung, Lagerung (auch Räuchern), Reifung und andere Produktionswege …
– Histaminbildung im Körper: indem aus der Aminosäure Histidin das Histamin gebildet wird (eiweißreiche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Eiweiß …)
– Enzymmangel: wenn der Körper über zu wenig des Enzyms DAO (Diaminoxidase) oder des Enzyms HNMT (Histamin-N-Methyltransferase) verfügt. So einem Mangel kann im Einzelfall eine genetische Variation zugrunde liegen.
– DAO-Hemmer, die das Enzym DAO blockieren. Hierzu gehören viele Medikamente, aber auch Alkohol, manche Teesorten und sogar Vitamin C.
Noch schwieriger
Zu vielen veganen Produkten, insbesondere zu solch industriell gefertigten wie Milchersatzdrinks, Veggie-Käse, Veggie-Sahne, Fleischersatzprodukten u.v.a. gibt es kaum Erkenntnisse zur Verträglichkeit bei Histaminintoleranz.
Außerdem haben Vegetarier:innen und Veganer:innen ein Problem mit der Empfehlung, nur nicht jodiertes Salz zu verwenden. Woher soll das Jod denn dann kommen – von den Fischen, die wir nicht essen? Mein Salzvorrat besteht deshalb neuerdings aus halb jodiertem (und fluoridiertem) Salz und halb freiem Salz.
Hülsenfrüchte sollten uns ebenfalls nicht ganz abhanden kommen – weil lecker und gesund. Entscheide selbst, wie oft du sie verwenden möchtest. Denn nichts ist verboten – auch bei der Histaminintoleranz „macht die Dosis das Gift“! Überhaupt gilt es, sich selbst und seine Symptome gut zu beobachten. Hilfreich ist auch folgende Lebensmittelliste der Schweizerischen Interessengemeinschaft Histamin-Intoleranz (SIGHI), auch SIGHI-Liste genannt:
https://www.mastzellaktivierung.info/downloads/foodlist/11_FoodList_DE_alphabetisch_mitKat.pdf
Wichtig zu wissen
Da wie gesagt alles nicht so einfach ist, kann ich verständlicherweise keine Gewähr für die individuelle Verträglichkeit der in einem Rezept enthaltenen Lebensmittel übernehmen. Beurteile bitte auch immer selbst, ob die im Rezept enthaltenen Zutaten dir deiner Erfahrung nach bekommen werden. Berücksichtige deine individuelle Toleranzschwelle, die du mit der Zeit immer besser kennenlernen wirst. Und trotzdem wirst du immer wieder die Erfahrung machen: die Histaminfalle lauert überall!
Was das Symbol 📉 bedeutet
Dieses Rezept ist histaminarm oder kann zumindest histaminarm abgewandelt werden.
Histaminarme Basics
– Backwaren
Sauerteig gilt aufgrund der langen Teigführung als histaminreich.
Hefezellen an sich, egal ob getrocknet oder im Frischhefewürfe, sind histaminfrei. Auch Hefegebäck enthält nach neueren Erkenntnissen nicht unbedingt viel Histamin.
Folgende Voraussetzungen müssen aber gegeben sein: Ein verträgliches Hefeprodukt verwenden, ggf. Bio-Trockenhefe ohne Emulgator (oder Frischhefe). Hygienisch saubere Teigherstellung, um keine unerwünschten Bakterien in den Teig zu bringen. Keine überlange Gehzeit für die Hefe, also keine overnight-Teigführung, da dabei wiederum Sauerteig entsteht.
– Bindemittel
Johannisbrotkernmehl ist laut SIGHI-Liste unverträglich; Guarkernmehl besser verträglich. Kernmehle haben eine 4x stärkere Bindekraft als Stärke. Ersetze also – wenn du kein Guarkernmehl verwenden möchtest – jedes Gramm Guarkernmehl durch 4 g Kartoffelstärke, die du mit wenig kaltem Wasser glatt rührst.
– Bio-Gemüsebrühpulver
Dies ist frei von Glutamat und beinhaltet nicht mehr Zutaten als nötig.
– Branntweinessig
Er gilt als der verträglichste Essig bei Histaminintoleranz. Apfelessig gilt als mäßig verträglich.
– Bratöl
Butter, Margarine (Zusatzstoffe beachten), Kokosöl, Rapsöl, und Olivenöl sind gut verträglich. Rapsöl und Olivenöl sollten aber auf der Flasche eine Zusatzbemerkung haben, die sie zum Braten bzw. hohen Erhitzen deklariert.
– Eier
Wenn jemand schon etwas länger an einer Histaminintoleranz leidet, spürt er in der Regel ziemlich genau, was er verträgt und was nicht. Meine Erfahrung zu Eiern ist bislang nicht deutlich negativ.
– Fette + Öle
Butter, Margarine, Albaöl, Rapsöl, Kürbiskernöl, Leinöl, Olivenöl, Sesamöl dürfen gerne verwendet werden.
– Gewürze
Zuerst die gute Nachricht: es gibt weniger unverträgliche als verträgliche Kräuter + Gewürze. Zu den bekanntermaßen unverträglichen Gewürzen gehören:
Bockshornklee, Chili, Curry, Kreuzkümmel (= Cumin), Paprikapulver scharf, Pfeffer (weiß, schwarz) und Senf. Die Verträglichkeit von Gewürzmischungen ist bislang nicht beschrieben. Das Rezept für ein histaminarmes Curry findest du hier.
Tabelle: Salicylsäure- und Histamingehalt getrockneter Gewürze – Samter-Trias
– Hefe
Hefe, egal ob getrocknet oder im feuchten Würfelmilieu, ist erst einmal histaminfrei. Das Ausmaß der Histaminbildung hängt von der Dauer der Teigführung ab. Ein lange Teigführung (z. B. 6 Sunden oder overnight) erreicht durch Gärungsprozesse ein Sauerteigstadium und ist dann eher nicht mehr gut verträglich. Eine Backware mit kürzerer Hefeteigführung – z. B. bis zu 1 oder 2 Stunden – könnte dagegen noch verträglich sein. Geben wir dem Hefeteig also eine Chance und beobachten die Verträglichkeit!
– Hülsenfrüchte
Sie gelten als grundsätzlich unverträglich; allerdings werden grüne und gelbe Erbsen in der SIGHI-Liste als noch verträglich gekennzeichnet, wenn in Maßen genossen. In manchen Rezepten sollte es also möglich sein, Hülsenfrüchte, auch Kichererbsen, durch Erbsen zu ersetzen.
– Joghurt
Naturjoghurt, Mandeljoghurt, Haferjoghurt (alle in Maßen verzehrt) dürften verträglich sein. Angaben hierzu habe ich jedoch nicht gefunden (wohl verträglich im Gegensatz zu Sojajoghurt).
– Käse
Kurz gereifte Käse sind gut verträglich: Doppelrahmfrischkäse (aber keine Frischkäsezubereitung wie Philadelphia oder Bresso), junger Gouda, Brie, Butterkäse, Edamer, Halloumi, Mozzarella, Ziegenfrischkäse, Ziegenschnittkäse. Meiner Erfahrung nach gehören auch Brie und Weichziegenkäse /der in der Rolle) zu den verträglichen Sorten.
– Kokosprodukte
Kokosflocken, Kokosmilch und cremige Kokosmilch gelten als verträglich. Vorsicht beim Kokos-Drink, da es sich hier oft um einen Zutatenmix mit ganz wenig Kokosanteil handelt.
– Maronen
Sie gelten als gut verträglich. Aus Maronen lässt sich alles Mögliche zaubern – die Industrie hat die Maroni nur noch nicht als Basis für Aufstriche oder ihre Schale als Basis für Kunstleder entdeckt! Greif‘ deshalb zu wo und wann immer du sie siehst! In der Rubrik Quickfinder findest du meine Maronirezepte.
– Milchersatz
Die Histamingehalte sind unklar, da in der Regel nicht getestet. Eine gute Möglichkeit ist, Mandel- oder Hafermilch selbst zu machen – unglaublich einfach, weiß und erfrischend! Nur Mandel oder Hafer und Wasser, vielleicht eine Prise Salz – sonst nichts!
– Milchprodukte wie Milch, Buttermilch, Joghurt, Schmand, Creme Fraiche, Saure Sahne, Sahne, Quark (jede Fettgehaltsstufe), Ricotta, Mascarpone; aber auch Mandeldrink und Haferdrink in Maßen scheinen verträglich (im Gegensatz zu Sojaprodukten wie Sojadrink und Sojasahne).
– Mozzarellareibkäse
Es gibt nicht nur Mozzarella in Kugelform, sondern auch schnittfesten Mozzarella, der gerieben und in Tüten verkauft wird (Kühlregal). Alternativ kommt immer geriebener junger Gouda in Betracht.
– Natron
Mit Natron = Natriumhydrogencarbonat lässt sich angeblich nicht nur putzen, sondern auch backen. Nach einigen Versuchen unter Berücksichtigung aller Empfehlungen (wie Säurezugabe) habe ich das mit dem Backen jetzt aufgegeben. Der Backwarengeruch ist wie wir finden so gar nicht angenehm – und die morgens gebackenen Brötchen riechen nach Fisch und schmecken sogar etwas danach – nein danke! Also belassen wir es bei dem „Kaiser Natron“ zum Putzen und für andere „Haushaltstricks“.
– Nüsse
Unbedenklich sind Mandeln, Macadamianüsse und Pistazien. Paranüsse sind ebenfalls verträglich, sollen aber aufgrund radioaktiver Belastung nur in geringer Zahl verzehrt werden. Cashewkerne und Haselnüsse sind mengenabhängig verträglich. Erdnüsse und Walnüsse zählen zu den unverträglichen Nüssen.
– Weinsteinbackpulver
Es enthält im Gegensatz zum üblichen Backpulver keine Diphosphate (E450) , sondern Kaliumtartrat, das bei Histaminintoleranz verträglich ist. Mengenmäßig wird es genauso verwendet wie das übliche Backpulver (15 g auf 500 g Mehl). Allerdings finde ich, dass es Brot und Brötchen einen leicht kuchenartigen Geschmack verleiht.
– Paprikamark
Es dient als histaminarme Alternative zum Tomatenmark. Du kannst es selber machen oder fertig kaufen (Fa. Hengstenberg).
– Salz
Jod gilt bei Histaminintoleranz als unverträglich. Ich finde jedoch, dass man nicht guten Gewissens zur Jodenthaltung raten kann. In meiner Küche gibt es deshalb jetzt jodiertes und unjodiertes Salz halbhalb gemischt. Ab und zu kommt in meinen Rezepten Rauchsalz (Meersalz + Rauch) in einem Rezept vor. Das sollte unbedenklich sein, da sich durch den Räuchervorgang im Salz keine Eiweiße verändern. Selleriesalz sollte ebenfalls verträglich sein, denn es besteht nur aus Meersalz + Sellerie.
– Schokolade
Weiße Schokolade ist, in Maßen genossen, besser verträglich als Schokolade. Probier‘ doch einmal die „Weiße Crisp“ oder „Café Blanc“! Für die geliebte dunkle Schokolade kenne ich leider keinen angemessenen Austausch😥.
– Senf
Bitte nur milden Senf verwenden. Gerne auch Fruchtsenf einsetzen, der er nur zur Hälfte aus Senf besteht.
– Spinat ist bei Histaminintoleranz nicht verträglich. Wann immer du Mangold siehst – zugreifen! Er hat von Juni bis September Hauptsaison und kann Spinat prima ersetzen. Als Ersatz eignen sich außerhalb der Mangoldsaison, z. B im Frühjahr, auch Blätter von Giersch und Brennessel. Ansonsten passt oft auch Wirsing als Spinatersatz (dieser ist fast das ganze Jahr über als Frisch- oder Lagerware erhältlich).
– Tomaten
zählen wie Spinat ebenfalls zu den Histaminliberatoren. Sie können in manchen Rezepten durch Paprika ersetzt werden (wie in den Rezepten Paprikamark oder Rotes Pesto).
– Vegan + histaminarm
Schwierig schwierig! Die Milchersatzprodukte die du bisher vertragen hast, kannst du selbstredend auch in den Rezepten anwenden. Hafer-Drink wird, maßvoll verwendet, als verträglich angegeben. Zu anderen Produkten, von denen es ja mittlerweile sehr viele gibt, habe ich bislang leider keine Erkenntnisse zum Histamingehalt.
Try and error – anders geht es leider manchmal nicht.
– Vitamin C-Pulver
Hast du mal mit Histamin über die Stränge geschlagen oder bist du in eine der vielen Histaminfallen getappt, so hilft 1 g Vitamin C-Pulver in 1 Glas Wasser und überhaupt viel stilles Wasser. Vitamin C scheint bei Histaminüberlastung – also wenn das Fass voll ist – mehr zum Histaminabbau beizutragen als zu einer DAO-Blockade.
Vitamin C-Pulver findest du in jedem Drogeriemarkt.
Anfragen zum Histamingehalt
Meiner Erfahrung nach werden Anfragen zum Histamingehalt eines Lebensmittels oft nicht beantwortet. Hauptsächliche Gründe dürften sein, dass die Histamingehalte wahrscheinlich gar nicht gemessen werden. Verständlich, da ja die hygienische Unbedenklichkeit anders und genauer bestimmt werden kann (mit mikrobiologischen Methoden) und da die Histaminose-Kunden von ihrer Anzahl her nicht wirklich attraktiv erscheinen. Außerdem kann sich der Histamingehalt produktionsbedingt von Charge zu Charge verändern.
Antworten
Rügenwalder Mühle, 08/2014 angefragt zu den Histamingehalten ihrer Fleischersatzprodukte: „Über die tatsächlichen Histamin-Gehalte können wir Ihnen aber leider keine Auskunft geben, da wir unsere Produkte nicht auf dieses Kriterium untersuchen.“
Alnatura, 08/2024 angefragt zu den Histamingehalten ihrer veganen Milchersatzprodukte: „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass uns zum Histamingehalt unserer Produkte keine Analysen vorliegen.“
Firma Teufel, 07/2024 angefragt zu ihrem so ungewöhnlich frisch schmeckendem Baisinger Weizenbier: bislang keine Antwort.
Demeter, 08/2024 angefragt zu den subjektiv gut verträglichen Demeter Bioweinen San Grigio und Chardonnay (gefunden bei EDEKA): bislang keine Antwort.