Der Geschmack

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Was schmecken wir?
Über die Geschmacksrezeptoren der Zunge schmecken wir sauer, salzig, bitter, süß und 📜umami. Alle anderen Geschmäcker entstehen nicht auf der Zunge, sondern über unser Riechorgan – die Nase. Das funktioniert, indem die Aromen über die Nase, aber auch den Weg vom Mund über die Rachenhinterwand nach oben in die hintere Nase und zu den Riechzellen nehmen.

Was riechen wir?
Über unsere Nase mit ihren Riechzellen erfassen wir die Aromen, die sich in unseren Lebensmitteln und in unseren Speisen befinden (z. B. das Aroma einer Erdbeere, des Grünkohls oder eines Gewürzes).
Bei einer Erkältung mit verstopfter Nase will uns deshalb nichts so richtig schmecken.

Hyposmie / Anosmie
Mit Hyposmie wird ein vermindertes Riechvermögen bezeichnet.
Der Begriff Anosmie steht für ein nicht mehr vorhandenes Riechvermögen. Sie können durch fast jede Infektionskrankheit hervorgerufen werden und legen sich glücklicherweise meistens wieder. Im Rahmen der COVID 19-Erkrankungen ist die Anosmie häufiger geworden. Anosmie kann auch Frühzeichen einer Demenz oder eines Morbus Parkinson sein (zu einem Zeitpunkt, wenn Demenz bzw. „Schüttelkrankheit“ noch ganz im Verborgenen liegen). Bleibt die Anosmie länger oder für immer bestehen, dann sind nicht nur Geschmack und Appetit, sondern auch Genuss und Lebensqualität stark eingeschränkt. Die aromatischste Speise schmeckt dann allenfalls noch salzig oder süß. Oder scharf.

Die Schärfe
Eine Schärfe wird nicht über Geschmacksrezeptoren und nicht über Riechzellen erfasst, sondern sie wird über schmerzleitende Nervenzellen weitergeleitet. Schärfe ist also keine Geschmacks- und keine Geruchs-, sondern eine Schmerzempfindung. Was von manchen als sehr scharf empfunden wird, werten andere als nur leicht scharf. Das Schmerzempfinden ist nun einmal eine sehr individuelle Geschichte. Meine ganz persönliche Theorie dazu lautet, dass ein Mensch, der empfindlich gegenüber Schärfe im Essen ist, auch andere Schmerzen entsprechend stärker empfindet und einstuft.
Um Schärfe an mein Essen zu bringen, benutze ich gerne am Tisch eine Chiliflocken-Gewürzmühle.

Die Aromen
Es gibt sie wie 1001 Nacht. Die Welt der Küchen und ihrer Aromen ist unerschöpflich.
Es gibt Pflanzen und Obst, die für sich alleine schon paradiesisch schmecken. Es gibt Kombinationen mit Gewürzen, die immer wieder aufs Neue überraschen – man muss sich nur trauen. Allerdings hat die gute alte „Prise“ ausgedient. Wir verwenden Gewürze teelöffelweise, damit sie im Gericht auch zum Ausdruck kommen. Schau dir dazu auch einmal den Beitrag 📜Abkürzungen + Begriffe an.

Die Temperatur
Achte einmal darauf, wann dir eine erhitzte Speise, egal ob Suppe, Puree, Gratin, am besten schmeckt. Sie schmeckt erst richtig gut, wenn sie nicht mehr heiß, sondern etwas abgekühlt ist. Es gibt Speisen, bei denen dieses Phänomen ausgeprägter ist als bei anderen. Nicht ärgern, wenn deine Familie wieder einmal wegläuft, wenn du zum Essen gerufen hast – zum Klo oder zur Getränkekammer.. Die paar Minuten kommen dem Geschmack sogar zugute!

Das Auge isst mit
Das kennt jeder. Farbige und bunte Speisen wirken appetitlicher als farblose Speisen. Deshalb macht eine farbig bunte Zusammenstellung immer Sinn. Und wenn es nur Salatgurkenscheiben zum Kurkumareis oder Tomatenachtel zum Spinat sind.

Das mag ich nicht?
Jeder Säugling mag es süß und trinkt deshalb auch gerne die recht süße Muttermilch. Auch Kinder und Senioren lieben in der Regel Süßes, weil sie dies besonders intensiv schmecken. Kommt jedoch ein unbekanntes Aroma in unserem Essen vor, dann kann es sein, dass wir streiken – das mag ich aber nicht!
Nun gibt es eine Regel die besagt, dass ein erwachsener Mensch ein ungewohntes Aroma 3x zu sich genommen haben muss, bis er es akzeptiert, dann sogar mag und vielleicht sogar liebend gerne mag. Ich erinnere mich, dass es mir vor vielen Jahren so mit Oliven und Olivenöl erging.
Aber es kann selbstverständlich auch vorkommen, dass man sich an einen Geschmack nicht gewöhnt und das Lebensmittel auf Dauer ablehnt. Auch Erlebtes und Emotionen können dabei eine Rolle spielen. Mir wurde von einem Kind berichtet, das etwa 5 Jahre alt war und grüne Bohnen essen sollte. Am Tisch wurden die Bohnen als „Brechbohnen“ bezeichnet. Das Kind wollte die Bohnen nicht essen, da es glaubte, davon zwangsläufig brechen zu müssen. Es wurde überredet, davon zu probieren, erbrach sich und aß nie wieder grüne Bohnen.

Mein Kind will nicht essen!
Als erstes muss das Kind in einer Kinderarztpraxis vorgestellt werden. Dort sollte auch entschieden werden, ob mittels Atemtesten ein Milch- und eine Fruchtzuckerunverträglichkeit o. a. ausgeschlossen werden müssen.
Wird dem Kind kinderärztlicherseits Gesundheit bescheinigt, dann sind folgende mögliche Zusammenhänge zu berücksichtigen:
Schon Ungeborene lernen die unterschiedlichsten Speisearomen kennen. Je mehr die Schwangere selbst davon zu sich genommen hat, umso breiter ist die Aromatoleranz des Breikindes und des aufwachsenden Kindes. Für Kinder gilt, dass sie ein neues Aroma etwa 7x probiert haben müssen, um es akzeptieren zu können.
Möglicherweise verweigert das Kind nur bestimmte Speisen. Kinder schmecken bitter und scharf besonders empfindsam heraus. Da heißt es zunächst, z. B. Rosenkohl als Julienne (= feine Streifen) in Sahnesoße zuzubereiten und scharfe Zutaten (scharfe Paprika, Ingwer…) wegzulassen. Ansonsten bewährt sich die Regel, dass das Kind jeweils zumindest einen Löffel voll probieren soll. Es sei denn, es ekelt sich vor einer Speise.

Nun möchte ich dazu noch ein wichtiges Thema anschneiden:
Es liegt in unserer Natur als Eltern und Großeltern, dass wir unsere Kinder gerne mit Appetit essen sehen. Wir möchten sie ja umfassend versorgen und behüten. Insofern ist es auch verständlich, dass eine Familie allmählich in folgenden Teufelskreis kommen kann: das Kind isst schlecht. Es bekommt, damit es überhaupt etwas isst – ich übertreibe jetzt einmal – Knabberzeug, Salzstangen und Saft. Das Kind mag dies, hält sich und seinen Magen damit auf Trab und verweigert die Hauptmahlzeiten oder fordert bei diesen ebenfalls eine Extrawurst wie Nudeln + Ketchup, sonst nichts.
Aus diesem unglücklichen Kreis gibt es nur einen Weg, der anstrengend ist und den Eltern Disziplin abverlangt, aber immerhin einen gesunden und fürsorglichen Weg darstellt.
Bevor eine Familie sich und dem Kind diesen Weg auferlegt, scheint mir noch einmal wichtig, das Kind auch ein zweites Mal wegen Essensverweigerung ärztlich vorzustellen und sofern noch nicht durchgeführt, das Kind für die Atemteste in einer gastroenterologischen Praxis anzumelden (Überweisung vom Kinderarzt oder Hausarzt erforderlich). Auch Blähungen und Übelkeit, die das Kind in einem Alter unterhalb 7-8 Jahren einfach noch nicht lokalisieren bzw. benennen kann, können ihm nämlich den Appetit verhageln.
Wird das Kind wiederum als gesund eingestuft, dann empfehle ich folgendes:

Dem Kind werden nur noch die Hauptmahlzeiten angeboten, jedoch keine Zwischenmahlzeiten mehr, bis auf Pausenfrühstück in Schule oder Kindergarten. Dem Kind eine übersichtliche Portion auf den Teller geben, damit es das Gefühl hat, die Portion schaffen zu können. Die Hauptmahlzeiten sollen sich nach den Regeln der DGE richten.
Als Flüssigkeit erhält das Kind Wasser, ungesüßten Tee und maximal 1 Glas Saft pro Tag, wobei der Saft auf das Trinkwasser verteilt werden kann.
Süßes ist nicht verboten, sollte aber auf 1 volle kleine Kinderhand pro Tag beschränkt werden und nach einer Hauptmahlzeit gegeben werden.
Das Kind soll am Tisch sitzen bleiben, bis alle mit dem Essen fertig sind (sonst zieht es ruckzuck das Spielen dem Essen vor). Beim Essen bitte nicht über das Essen sprechen, nicht zum Essen auffordern, nichts erzwingen wollen. Keine Tadel austeilen und keine Versprechungen geben. Bitte auch nicht mit dem Butterbrot hinter dem Kind herlaufen (alles schon erlebt!) und sich zum Diener des Kindes machen.

Ich sage nicht, dass es einfach werden wird. Aber ich sage, dass es wichtig ist, dem Hunger durch Vermeidung von Zwischenmahlzeiten (auch kein Brötchen beim Einkaufen!) wieder eine Chance zu lassen. Und dass noch kein gesundes Kind, dem regelmäßig Mahlzeiten angeboten werden, verhungert ist (Magersucht ausgenommen, die wir hier jedoch nicht besprechen, da sie kaum vor dem 10. Lebensjahr auftritt).

Ein Kind bemisst Elternliebe nicht an dem was man ihm durchgehen lässt, sondern an emotionaler Zuwendung, an angemessener Kommunikation und an den Grenzen, die ihm (auch zu seinem Schutz) gesetzt werden. Es gibt dazu ein bemerkenswertes Buch, das schon vor ca. 60 Jahren geschrieben wurde und heute nach wie vor aktuell ist.
Lesenswert:
Titel: Kinder fordern uns heraus – Wie erziehen wir sie zeitgemäß?
Autoren: Rudolf Dreikurs, Vicki Soltz


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