Bedeutung und Weg in den Körper
Vitamin B12 sorgt als Coenzym im Eiweißstoffwechsel für die Ausreifung von Körperzellen und damit für den Erhalt ihrer Funktionen. Vitamin B12 befindet sich hauptsächlich in Fleischwaren, Milchprodukten und Eiern, in geringerer Menge auch in vergorenen Lebensmitteln wie Sauerkraut oder Bier (während der Gärung von Bakterien produziert). Ansonsten gilt pflanzliches Vitamin B12 als für den Menschen nicht verwertbar.
Aus den Vitamin B12-haltigen Lebensmitteln wird das Vitamin B12 in unserem Magen an den Intrinsic Faktor gekoppelt, nur so kann es dann im Dünndarm aufgenommen werden. Ist der Intrinsic Faktor inaktiv, z. B. durch Autoantikörper inaktiviert wie bei der Atrophischen Gastritis, so kann das Vitamin B12 aus Lebensmitteln nicht verwertet werden. Vitamin B12, das durch die Dünndarmschleimhaut in unser Blut aufgenommen wird, wird den Zielzellen zugeführt. Überschüssiges Vitamin B12 wird in Leber und Muskulatur gespeichert. Sind die Speicher voll, dann reichen sie für ca. 3 Jahre aus.
Tagesbedarf
Der Tagesbedarf steigt im Kindesalter kontinuierlich an (0,5 bis 3,3 Mikrogramm pro Tag).
Ab 13-14 Jahren beträgt der Tagesbedarf 4,0 Mikrogramm pro Tag; für Schwangere 4,5 und für Stillende 5,5 Mikrogramm pro Tag.
Gehalte vegetarischer Lebensmittel (Mikrogramm / 100 g, gerundete Werte)
3,0: 100 g Emmentaler
2,0: Mozzarella, Ei
1,5: Edamer, Gouda
1,0: Magerquark, Joghurt
0,5: Milch
Multivitaminsaft: die enthaltene Vitamin B12-Menge ist auf dem Etikett angegeben (etwa 0,5 bis 1,5 Mikrogramm / 100 ml). Am besten Biosaft kaufen.
Mit Saft kannst du deinen Vitamin B12-Tagesbedarf nicht decken (du müsstest zu viel davon trinken), allenfalls etwas verbessern.
Vitamin B12-Mangel
Die häufigsten Ursachen für einen Vitamin B12-Mangel sind
– Vegetarische / Vegane Ernährung
– Atrophische Gastritis
– Geminderte Resorption im Dünndarm im Alter
– Medikamente
Von den über 65-jährigen deutschen Senior:innen haben etwa 30 % einen Vitamin B12-Mangel (Stand heute jeder Dritte – und das sind ganz überwiegend keine Vegetarier:innen!). Bei jüngeren Menschen findet sich dieser Mangel bei etwa jedem Zwölften.
Bei Vegetarier:innen und insbesondere bei Veganer:innen ist der Vitamin B12-Mangel, sofern keine Nahrungsergänzung durchgeführt wird, vorprogrammiert (die einen später, die anderen früher). Wann er eintreten wird, lässt sich nicht vorhersagen, da die Speicherfüllung nicht bekannt ist und auch nicht direkt gemessen werden kann.
Folgen und Symptome des Vitamin B12-Mangels
Es kommt zu Funktionsstörungen von Nervenzellen, Roten Blutkörperchen, Weißen Blutkörperchen, Gerinnungsplättchen. Es ist alles nur eine Frage der Zeit.
Bei meinen alten Patienten:innen hatte ich hunderte Male Gelegenheit, die Symptome und zum Teil dramatischen Folgen zu sehen:
Polyneuropathie
Oft kommt es zuerst zu einer sogenannten Polyneuropathie, beginnend in den Beinen. Dazu kann man sich die unter Vitamin B12-Mangel leidenden Nervenbahnen wie spröde Elektrokabel vorstellen. Die Betroffenen beklagen taubes Gefühl in den Füßen / Unterschenkeln, oft auch ein Kribbeln und das Gefühl, wie auf Watte zu gehen. Schreitet die Polyneuropathie fort, kommt es zu Kraftmangel bis hin zu Lähmungen: Früh bildet sich eine Gangstörung mit Sturzneigung heraus.
Ein Stimmgabeltest an den knöchernen Vorsprüngen (Handgelenk,, Kniescheiben, Fußgelenke) zeigt, wie intensiv noch Vibrationen gespürt werden. Ist die Vibrationsempfindung deutlich vermindert oder sogar nicht mehr vorhanden, dann erhärtet dieser Test den Verdacht auf eine Polyneuropathie. Die Bestätigung kann mit einem Elektroneurogramm (ENG) in einer neurologischen Einrichtung erfolgen. Wird das Vorliegen einer Polyneuropathie bestätigt, so muss die Ursache gesucht werden, denn nicht nur ein Vitamin B12-Mangel kann diese Erkrankung auslösen (weitere häufige Ursachen sind Zuckerkrankheit, übermäßiger Alkoholkonsum, Nierenschwäche, Krebserkrankung …).
Schlaganfall
In der EPIC Oxford-Studie 2019 war das Risiko für einen Schlaganfall (durch Hirnblutung) für Vegetarier bzw. Veganer um 20% erhöht. Die Ursachen sind noch unklar – als mögliche Erklärung wird eine schlechtere Versorgung mit Vitamin B12 (und demzufolge erhöhte Homocysteinwerte), Vitamin D oder essentiellen Aminosäuren in Betracht gezogen. In einer Studie in Taiwan fand sich mit einer Senkung des Schlaganfallrisikos ein gegensätzliches Ergebnis. Da gibt es weiteren Klärungsbedarf.
Hyperchrome makrozytäre Anämie
Auch recht oft sieht man im Blutbild Werte, die auf zu große Rote Blutkörperchen hindeuten (Erhöhung von MCV, MCH, MCHC). Wenn den Blutzellen Vitamin B12 fehlt, können nicht genug Zellen nachgebildet werden. Im Gegenzug werden die noch Vorhandenen besonders groß ausgebildet (Quasi als Kompensationsversuch). Im späteren Stadium fehlt es auch an Weißen Blutkörperchen und an Gerinnungsplättchen (Panzytopenie). Allerdings können Blutbildveränderungen auch völlig ausbleiben.
Morbus Alzheimer
Bei Vitamin B12-Mangel soll das Auftreten eines Morbus Alzheimer 4x häufiger sein. Zuerst kommt es zu Störungen der Konzentration und der Aufmerksamkeit. Im Verlauf kommen dann Gedächtnisprobleme hinzu.
Glossitis
Die Glossitis bezeichnet eine Atrophie bzw. Entzündung der Zunge. Die Zunge wird glatt und rot, es kann zu Zungenbrennen kommen. Ursache ist die ausbleibende Nachbildung der oberflächlichen Schleimhautzellen, die Zunge liegt sozusagen blank.
Psychische Veränderungen
In der Literatur werden Depression und auch Psychosen beschrieben. Da Depressionen ja sowieso häufig sind, ist eine solche als Symptom natürlich unspezifisch, das heißt, jemand mit Depression kann einen Vitamin B12-Mangel haben, muss aber nicht.
Das kriegen nur die anderen – ich doch nicht!
Das denken auch viele von einer Allergie, und die meisten denken das von Krebs.
Tapp‘ nicht in diese böse Verdrängungsfalle. Kümmere dich darum, dass dein Körper ausreichend mit Vitamin B12 versorgt ist. Lass‘ deinen Vitamin B12-Spiegel im Blut bestimmen (in der Regel selbst zu bezahlen), dann weist du wo du stehst. Die Werte für Holotranscobalamin und Methylmalonsäure solltest du meines Erachtens nicht bestimmen lassen, da teuer und allenfalls einen kleinen zeitlichen Aufschub bringend.
Vitamin B12-Spiegel (Werte in pg / ml)
Die Normalwerte können sich von Labor zu Labor unterscheiden.
Unterschreitet dein Wert die Untergrenze, dann liegt ein Vitamin B12-Mangel vor, der behandelt werden muss. Liegt dein Wert zwischen 200 und 300, im sogenannten Graubereich, dann ist das auffallend niedrig. Entweder du sorgst für eine vermehrte Vitamin B12-Zufuhr oder du entscheidest dich für eine prophylaktische Nahrungsergänzung, um einen Mangel zu verhindern. Liegt der Wert zwischen 300 und 400, dann entspricht dies dem sogenannten erweiterten Graubereich. Hier ist Vorsicht geboten, zumindest sollte eine Kontrolle des Wertes erwogen werden (m.E. etwa alle 2 Jahre; hierzu gibt es aber keine offizielle Empfehlung).
Liegt der Wert über 400, so könnte meines Erachtens zunächst noch auf eine Nahrungsergänzung verzichtet werden, vorausgesetzt, es finden konsequent jährliche Bestimmungen des Vitamin B12-Spiegels statt.
Anders sieht es für vegetarisch lebende Kinder, Schwangere und Stillende aus. Sie sollten sich auf die sichere Seite mit einer Vitamin B12-Nahrungsergänzung begeben.
Behandlung des Vitamin B12-Mangels
Die Vitaminspeicher, u.a. in der Leber können 3 bis 5 Milligramm erreichen – also das Tausendfache der täglichen Zufuhr! Volle Speicher reichen für 3 bis 5 Jahre. Sind sie aber leergelaufen, weil über lange Zeit Vitamin B12 nicht ausreichend zugeführt oder im Dünndarm nicht ausreichend aufgenommen werden konnte, dann braucht es hohe Vitamin B12-Dosen, um sie wieder aufzufüllen.
Spritzentherapie:
Vitamin B12 (rote Flüssigkeit) wird gespritzt, in der Regel zunächst 7 mal in Folge (je 1000 Mikrogramm), dann mit fallender Häufigkeit. Die Spritzung sollte unter die Haut (subcutan) erfolgen, da es hierbei außer einem kurzen Brennen (weil wässrige Lösung in das Unterhautfettgewebe gespritzt wird) kaum Nebenwirkungen gibt. Theoretisch ist auch eine Spritzung in einen Muskel erlaubt, das bringt aber keinen Vorteil mit sich, allenfalls die mögliche Nebenwirkung einer bakteriellen Muskelentzündung.
Tablettentherapie:
Seit einigen Jahren steht ein Tablettenpräparat zur Verfügung, das aufgrund seiner hohen Vitamin B12-Dosis (1000 Mikrogramm / Tablette) dafür sorgt, dass ein ausreichender Teil der Tablettendosis passiv resorbiert wird, das heißt ohne Mitwirkung des Intrinsic Faktors (z. B. Vitamin B12 Ankermann 1000 Mikrogramm Tabletten).
Im Einzelfall kann ärztlicherseits auch einmal dazu geraten werden, die Spritzentherapie zu bevorzugen.
Durch Steigerung der Blutbildung während der Vitamin B12-Behandlung werden Folsäure, Eisen und Kalium verbraucht. Die Kenntnis dieser Werte und ggf. deren Supplementation als auch Kontrolle ist deshalb sinnvoll.
Vitamin B12-Prophylaxe
Veganer:innen benötigen von Anfang an eine Nahrungsergänzung als Prophylaxe. Hierfür genügt in der Regel eine niedrige Dosis (altersabhängig 2,5 bis 5,0 Mikrogramm täglich). Diese Vitamin B12-Prophylaxe gibt es in Form von Tabletten, Tropfen und Saft. Eine Prophylaxe mit Vitamin B12-angereicherter Zahnpasta befürworte ich persönlich nicht, da hiermit eine genaue Dosis nicht realisierbar ist. Zudem gab es 2017 / 2018 eine Studie (VITAL-Studie), die den Verdacht erzeugte, dass eine höhere Dosis (in der Studie waren es 55 Mikrogramm Vitamin B12 täglich) an einer Lungenkrebsentstehung beteiligt sein könne. Genaueres dazu findest du hier:
https://www.krebsinformationsdienst.de/fachkreise/nachrichten/2019/fk16-vorbeugen-vitamin-b-Lungenkrebs.php
Lesenswert
Vitamin B12 – ein Dauerthema
„Vitamin B12-Mangel im Alter“ (Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 1/2015)
www.quarks.de/VitaminB12-und-vegane-ernaehrung
vegetarisch.kompakt-billeburg.de