Was wir glauben sollen
Regelmäßig erzählen uns Artikel in Zeitschriften und Werbung in den Medien, dass uns Nahrungsergänzungsmittel gut tun würden. Die neueste Werbemasche ist, dass Frauen zum Kauf gelockt werden, da sie mehr davon brauchen würden.
Die Industrie, die Nahrungsergänzungsmittel produziert, macht damit ein Millionengeschäft. Viele denken nämlich so:
Sind Multivitaminpräparate nicht eigentlich harmlos? Ist ein Mehr an Vitaminen, Mineralien und Co nicht für alle besser?
Im Gegenteil – Nahrungsergänzungsmittel können auch krank machen!
Grundsätzlich gibt es für fast alle Nahrungsergänzungsmittel auch eine Obergrenze, ab der die Toxizität (Giftigkeit) beginnt. Deshalb ist eine Einnahme für längere Zeit oder auf Dauer nur auf ärztliche Anordnung angezeigt. Zudem sind die komplexen Wirkungen bei Mehrfacheinnahme kaum erforscht.
Die ATBC-Studie (1994), die die Hoffnung in sich trug, die Vitamine A bzw. E könnten das Lungenkrebsrisiko bei Rauchern senken, zeigte das Gegenteil: das Lungenkrebsrisiko erhöhte sich (um 18 %). Die Studie musste daraufhin abgebrochen werden und – verständlicherweise – wird seitdem vor der unkontrollierten Einnahme von Multivitaminpräparaten gewarnt.
Die CARET-Studie (1998) untersuchte den Einfluss von Betacarotin bzw. Vitamin A auf die Krebshäufigkeit. Die Krebsinzidenz stieg um satte 28 %! Auch diese Studie musste aufgrund der Ergebnisse vorzeitig abgebrochen werden.
Die VITAL-Studie (2000-2002) zeigte noch einmal konkreter eine Zunahme des Lungenkrebsrisikos durch Betacarotin (Vitamin A-Vorstufe) und Vitamin E.
https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Risikoinformationen/RisikoBewVerf/a-f/betacarotin-bescheid.pdf?__blob=publicationFile&v=3
Leider kenne ich keine Studie zu dem regelmäßigen Konsum von ACE-Saft, der auch gerne als „Frühstückssaft“ beworben wird.
Wann sind Nahrungsergänzungsmittel dann überhaupt noch sinnvoll?
Chemotherapie
Es ist noch unklar, ob Nahrungsergänzungsmittel während einer Chemotherapie sinnvoll sind oder ob sie im Gegenteil sogar die Wirkung einer Chemotherapie abschwächen können. Deshalb sollte ihre Einnahme unbedingt vorher mit den behandelnden Onkolog:innen besprochen werden!
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Durch die chronische Entzündung der Darmschleimhaut bei Morbus Crohn / Colitis ulcerosa ist die Aufnahme von Mineralien und Vitaminen oft herabgesetzt. Gastroenterolog:innen kümmern sich um eine ausreichende Versorgung und verordnen bei Mangel auch eine entsprechende Substitution.
Eisen
Ja, der Eisenmangel ist insbesondere bei menstruierenden Frauen häufig. Auf der anderen Seite weiß man aber, dass ein Zuviel an Eisen im Körper (bzw. auch ein Zuviel an Verzehr von rotem Fleisch) an der Entstehung von Krebs beteiligt sein kann. Deshalb sollen Eisenpräparate nicht unkontrolliert eingenommen werden (und rotes Fleisch nach den Regeln der DGE auch nur in Maßen verzehrt werden).
Einen extra Beitrag zum Thema Eisen findest du hier.
Jod
Jod ist ein wichtiges Spurenelement, das die Schilddrüsenfunktion und damit den gesamten Stoffwechsel steuert. Da Deutschland zu den Jodmangelgebieten zählt, sind Bäckereien seit längerer Zeit aufgefordert, mit Jodsalz zu backen. Viele Bäckereien sind mit der Zeit jedoch wieder davon abgekommen, so dass es umso wichtiger geworden ist, dass jeder Haushalt mit Jodsalz kocht und backt. Hier kannst du noch weiterlesen.
Magnesium
Häufiges – aber längst nicht einziges – Symptom eines Magnesiummangels sind Muskelkrämpfe. Dann spricht nichts gegen die Einnahme von 1 bis 2 Dragees Magnesium verla. Gut zu wissen ist, dass Alkohol Magnesium aus dem Körper schwemmt. Der Party kann also durchaus einmal eine Nacht mit Muskelkrampf folgen! Uber weitere mögliche Symptome bei Magnesiummangel kannst du hier nachlesen.
Omega 3-Fettsäuren
Hierzu gibt es einen Extrabeitrag.
Selen
Da die Gesteine und Böden in Europa nicht gerade selenreich sind (im Gegensatz zu den USA), sind es die daraus erhaltenen Nahrungsmittel auch nicht. Eine ausreichende Selenversorgung kann laut DGE durch eine vollwertige Ernährung erzielt werden. Als relativ selenreich gelten Vollkorngetreide, Kohlsorten wie Weißkohl und Brokkoli, Zwiebeln, Knoblauch, Spargel, Hülsenfrüchte Champignons und Naturreis.
Am häufigsten wird eine Selensubstitution im Rahmen einer Hashimoto-Thyreoiditis (die häufigste Schilddrüsenentzündung) propagiert. Jedoch konnte eine zusammenfassende Übersichtsstudie (Cochrane-Analyse) keinen positiven Effekt von Selen auf den Verlauf einer Hashimoto-Thyreoiditis herausfiltern.
https://www.cochrane.org/de/CD010223/ENDOC_nahrungserganzung-mit-selen-bei-hashimoto-schilddrusenentzundung
Im Fall einer Hashimoto-Thyreoiditis würde ich empfehlen, hierzu eine endokrinologische Praxis zu konsultieren. Grundsätzlich ist es unabhängig von irgendeiner Erkrankung aber wichtig, als tägliches Brot ein solches mit hohem Vollkornanteil zu wählen. Und gut zu wissen: Paranüsse sind zwar besonders selenreich, sollen jedoch nur ab und zu und in geringer Menge verzehrt werden, da sie auch radioaktives Radium beinhalten.
Was ich bis jetzt auch noch nicht wusste: In der EU darf Tierfutter mit Selen angereichert werden. Deshalb können Milch, Milchprodukte und Käse einen guten Selengehalt aufweisen. Aber jetzt kommt’s: Das Selen wird nicht etwa zugesetzt, um den Menschen zu versorgen, nein, es wird zugesetzt um Kühe und Rinder vor Muskelschwund, Immunitätsverlust und Schweine vor einem plötzlichen Tod zu bewahren – also des „Materialerhalts“ und des Geldes wegen? Doch sehr fragwürdig das Ganze!
Vitamin B1
Die Symptome eines Vitamin B1-Mangels sind vielfältig. Unbehandelt kommt es zu Muskelschwund, Herzschwäche, Ödemen, Hirnkrämpfen und Tod. In Entwicklungsländern ist diese Krankheit als „Beriberi“ bekannt. Ein Vitamin B1-Mangel kann nicht nur chronisch, sondern auch hochakut verlaufen. Gefürchtet ist er bei Menschen, die akut nicht mehr essen und bei Alkoholiker:innen, die in der Regel mehr trinken als essen. Deshalb werden stationär aufgenommene Patient:innen mit entsprechender Vorgeschichte zu Recht mit Vitamin B1-Infusionen versorgt. Ansonsten findet sich ein Mangel an Vitamin B1 / Vitamin B6 in der europäischen Bevölkerung nur selten. Ein Drama jedoch, als die Firma Humana 2010 aufgrund eines Berechnungsfehlers Vitamin B1 in Babynahrung unterdosierte. Mehr als 20 Babys in Israel erkrankten, einige starben.
Nicht nur Magnesium sondern auch Vitamin B1 wird durch Alkohol ausgeschwemmt. Deshalb kommt ein Vitamin B1-Mangel bei Alkoholikern häufiger vor. In den USA ist deshalb ein Vitamin B1-Zusatz zu allen alkoholischen Getränken gesetzlich vorgeschrieben.
Vitamin B6
Die Kombination von Vitamin B1 + B6 wird immer wieder einmal bei polyneuropathischen Beschwerden verordnet, z. B. bei Gefühlsstörungen in den Beinen. Dabei gilt es zu beachten, dass diese versuchsweise Anwendung zeitlich begrenzt werden sollte, denn Vitamin B6 kann seinerseits bei längerdauernder Einnahme Nervenschäden verursachen!
Vitamin B12
Vitamin B12 wird heftig umworben. Für Ärzte stellt das insofern ein Problem dar, dass sie bei einem Patienten, bei dem sie Vitamin B12-Mangelsymptome vermuten, den Mangel oft nicht mehr nachweisen können, wenn dieser sich schon selbst damit versorgt hat. Das bedeutet, dass ärztlicherseits kein Vitamin B12 verordnet werden kann, jedenfalls nicht auf einem Kassenrezept. Das bedeutet auch, dass Symptome und deren Ursache nicht bewiesen werden können.
Hier findest du noch einen extra Beitrag zu Vitamin B12.
Vitamin C
Um dieses Vitamin ranken sich Märchen und Mythen, bis hin zu regelmäßigen hochdosierten Vitamin C-Infusionen. Ich sehe für Vitamin C für mich eigentlich nur folgende 3 Einsatzgebiete:
– wenn du einen grippalen Infekt hast, kannst du für etwa 5 Tage ein Kombinationspräparat Zink + Vitamin C einnehmen
– wenn bei dir eine Histaminintoleranz bekannt ist, kannst du bei spürbarer Histaminlast 1 Glas Wasser mit 1 g Vitamin C-Pulver trinken, das soll den Histaminabbau fördern
– wenn du Apfelmus kochst, kannst du zu Beginn 1 g Vitamin C-Pulver zugeben- dann wird es nicht braun😉.
Vitamin D
In letzter Zeit lese ich, dass die tägliche Einnahme vor Krebserkrankungen schützen soll. Ja das wäre einfach toll! Eine Studie der Krebsgesellschaft hat ergeben, dass dem nicht so ist! Zu Vitamin D findest du ansonsten hier einen extra Beitrag.
Vitamin K
Vitamin K ist wichtig für die Blutgerinnung. Ein Vitamin K-Mangel bei Neugeborenen kann zu Hirnblutungen führen, weshalb Neugeborene eine Vitamin K-Prophylaxe erhalten.
Vitamin K1 wird in Pflanzen gebildet, wir können es uns in ausreichender Menge mit grünem Gemüse und grünem Blattsalat zuführen. Vitamin K2 wird von Bakterien im Magen-Darmtrakt gebildet. Es darf dem Futter von Ferkeln, Kälbern und Geflügel zugesetzt werden. Käse gilt als besonders Vitamin K2-reich.
https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/einsatz_von_vitamin_k_in_der_tierernaehrung.pdf
Vitamin K3 wird synthetisch hergestellt. Alle K-Vitamine üben gleiche Funktion im Gerinnungssystem aus.
Nun gibt es aber Hinweise darauf, dass Vitamin K2 die Erkrankungshäufigkeit von Krebs senken kann. Meines Erachtens rechtfertigt das jedoch nicht eine unkontrollierte Einnahme von Vitamin K2 und auch nicht den Werbe-Singsang zu Kombinationspräparaten in unterschiedlicher Zusammensetzung (Calcium, Magnesium, Vitamin D3, Vitamin K2). Denken wir nur an die oben aufgeführten Studien und ihre schlimmen Folgen!
Zink
Zink ist bedeutsam für „Haut und Haar“. Hast du einmal eher kosmetische Probleme mit Haut, Haar oder Nägeln, kannst du eine Zinkkur über 2 bis 4 Wochen versuchen. Das kann dann auch ein Kombinationspräparat mit Kieselerde und Biotin (Vitamin B7) sein. Wenn jedoch Symptomzunahme, Schmerzen, Juckreiz oder Allergieverdacht bestehen, dann wende dich direkt an eine Hautarztpraxis.
Bei einem grippalen Infekt kannst du für ca. 5 Tage ein Kombinationspräparat Zink + Vitamin C einnehmen, um dein Immunsystem zu unterstützen.
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https://www.klartext-nahrungsergaenzung.de/
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